Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat schockiert auf die massiven Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart reagiert. „Die Bilder der brutalen Ausschreitungen mit gezielten Angriffen gegen die Polizei verstören und sind völlig inakzeptabel“, teilte er am Sonntag mit.

„Wir dulden nicht, dass Konflikte aus anderen Ländern gewaltsam bei uns ausgetragen werden und werden dem mit aller Härte entgegentreten.“ Wer Einsatzkräfte angreife, greife den Rechtsstaat an. „Ich danke allen Einsatzkräften der Polizei und wünsche den Verletzten eine schnelle und hoffentlich vollständige Genesung.“

Heftige Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung

Am Rande einer Veranstaltung von Eritrea-Vereinen war es am Samstag zu heftigen Ausschreitungen in Stuttgart gekommen. Die rund 80 bis 90 Teilnehmer der Veranstaltung stünden dem diktatorischen Regime in Afrika nahe, teilte die Polizei mit. Mehrere Hundert Veranstaltungsgegner hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt.

Einsatzkräfte der Polizei stehen mit Hunden nach den Ausschreitungen bei der Eritrea-Veranstaltung auf der Straße.
Einsatzkräfte der Polizei stehen mit Hunden nach den Ausschreitungen bei der Eritrea-Veranstaltung auf der Straße. | Bild: Jason Tschepljakow, dpa

Ihnen sei ein Versammlungsort zugewiesen worden, der jedoch abgelehnt worden sei, so die Polizei. Anschließend kam es am Veranstaltungsort, dem Stuttgarter Römerkastell, zu massivem Krawall. Gegner der Veranstaltung griffen Teilnehmer und Polizeibeamte mit teils mit Nägeln bestückten Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen an.

Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Beamten zeigten sich überrascht vom Ausmaß der Gewalt. Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien und der Bundespolizei beordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Polizisten eingeflogen. 27 Polizeibeamte wurden verletzt, der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler berichtete von Prellungen, auch am Kopf, und von Schürf- und Fleischwunden.

228 Menschen zwischenzeitlich festgenommen

Sechs Beamte wurden den Angaben zufolge im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. Zudem seien 21 der mutmaßlichen Straftäter verletzt worden.

Holzlatten und Stangen liegen nach den Ausschreitungen auf einem Gehweg.
Holzlatten und Stangen liegen nach den Ausschreitungen auf einem Gehweg. | Bild: Jason Tschepljakow, dpa

Die Polizei nahm 228 mutmaßliche Krawallmacher fest – 227 sind mittlerweile wieder frei. Das teilte Höfler am Sonntag mit. Die Polizei hatte die Männer eingekesselt und bis in den späten Samstagabend die Personalien aufgenommen.

Gegen die Verdächtigen liefen Strafverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs, sagte Höfler. Ein mutmaßlicher Täter werde am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt, weil er schon häufiger polizeilich in Erscheinung getreten sei. Höfler sprach von einem „Gewaltexzess“. Bundes- und Landespolitiker verurteilten die Gewalt und forderten Konsequenzen.

Faeser: Gewalttäter müssen zur Verantwortung gezogen werden

300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen, berichtete die Polizei. Die Teilnehmer des Eritrea-Treffens seien unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert worden.

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„Ausländische Konflikte dürfen nicht in unserem Land ausgetragen werden“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Gewalttäter müssten zur Verantwortung gezogen werden.

Die Personalien fast aller Tatverdächtigen sind nach Polizeiangaben zwischenzeitlich abgeklärt worden. Überwiegend kämen die Verdächtigen aus um dem Umland von Stuttgart, sagte Polizeivizepräsident Höfler. Nur wenige seien aus Stuttgart selbst.

63 mutmaßliche Gegner aus der Schweiz angereist

63 mutmaßliche Gegner des Regimes in Eritrea seien aus der Schweiz angereist. „Das hat uns überrascht“, sagte Höfler. Teils seien auch Personen aus dem hessischen Gießen angereist. 212 der Verdächtigen hätten die eritreische Staatsbürgerschaft, sieben Verdächtige seien deutsch mit eritreischen Wurzeln. Vereinzelt müssten Identitäten noch geklärt werden.

Ein Mann wird von Polizisten abgeführt.
Ein Mann wird von Polizisten abgeführt. | Bild: Jason Tschepljakow, dpa

Die Polizei geriet aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes. „Wir standen als Prellbock dazwischen. Die pure Gewalt hat sich gegen uns gerichtet, gegen den Staat“, sagte der Polizeivizepräsident Höfler.

Die Stadt Stuttgart hatte den Veranstaltungsraum an die Eritrea-Vereine vermietet. „Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor“, teilte die Stadt mit. „Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig.“ Die Stadt werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.

Im Juli war es bereits in Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten waren damals verletzt worden, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. Die Organisatoren des Events in Gießen standen der umstrittenen Führung des ostafrikanischen Landes nahe. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten. (dpa)