Erst der Bahnstreik, jetzt die Apotheken: Kunden müssen in diesem Jahr starke Nerven haben, wenn es um Streiks geht. Weil die laut des Landesapothekenverbandes (LAV) Baden-Württemberg „schon seit Jahren anhaltende Ignoranz der Politik“ nicht mehr hinnehmbar sei, hat Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) nun zum Streik aufgerufen. Warum die Apotheken streiken, wann der Streiktag ist und welche Geschäfte betroffen sind – wir haben die Antworten.

Wann streiken die Apotheken?

Die Abda ruft am Mittwoch, 14. Juni, zum Streik auf. Apotheken sollen dann ganztägig geschlossen bleiben. Da Apotheken mittwochnachmittags ohnehin ohne weitere Genehmigungen geschlossen bleiben dürfen, betrifft die zusätzliche Schließung vor allem den Vormittag.

Warum streiken die Apotheken?

Lieferengpässe, Personalmangel, unzureichende Finanzierung und zu viel Bürokratie: Die Liste der Gründe, die die Apotheken für den Streik aufführen, ist lang.

Auf der Seite des LAV Baden-Württemberg sind zehn Forderungen festgehalten. Vor allem geht es dem Verband um finanzielle Hilfe, wie die Erhöhung des sogenannten Fixums, das zum Ausgleich der fixen Betriebskosten einer Apotheke eingeführt wurde. Die liegen derzeit bei 8,35 Euro pro Arzneimittel und müssten auf mindestens 12 Euro angehoben werden, sagt der LAV Baden-Württemberg.

Die letzte Erhöhung gab es 2013 um 25 Cent, so der Verband. „Seit zehn Jahren gab es gar keine Anpassung mehr, während die Betriebs- und Personalkosten stark angestiegen sind“, erklärt der LAV. Das führe immer häufiger zu Schließungen: „In Deutschland schließt statistisch gesehen jeden Tag eine Apotheke.“

Des Weiteren wird unter anderem ein Engpass-Ausgleich verlangt, der mit einem erhöhten zeitlichen Aufwand wegen Lieferengpässen begründet wird, sowie die Einführung einer zusätzlichen regelmäßigen Pauschale für jede Betriebsstätte, die gegen weitere Apotheken-Schließungen wirken soll.

Woher weiß ich, welche Apotheke bei mir in der Region am 14. Juni geöffnet hat?

Eine detaillierte Liste, welche Apotheke am 14. Juni geöffnet ist und welcher Betrieb sich dem Streik anschließt, wird es nicht geben, erklärt der LAV Baden-Württemberg. Bürgerinnen und Bürger sollten davon ausgehen, dass an dem Tag die Apotheken geschlossen bleiben, erklärt der Verband. Patienten mit planbarem Medikamentenbedarf sollten sich vor oder nach dem 14. Juni versorgen.

Lediglich eine Notversorgung werde es geben, teilt der Verband mit. Welche Apotheke dienstbereit ist, ist in den jeweiligen Notdienstapotheken angeschlagen und kann zusätzlich auch über die Internetseite www.aponet.de zentral recherchiert werden.

Dürfen Apotheken überhaupt streiken?

Laut Apothekengesetz haben sie einen staatlichen Versorgungsauftrag und dürfen nicht einfach so schließen. Eigentlich müssten sie sich also von ihren Dienstbereitschaften befreien lassen. Dafür ist der jeweilige Landesverband zuständig, der wiederum unter der Rechts- und Fachaufsicht der jeweiligen Landesregierung stehen und von sich aus kein Auge zudrücken dürfen.

Und der LAV Baden-Württemberg erklärt, dass er seine knapp 2200 Mitgliedapotheken aufgefordert habe, an diesem Tag geschlossen zu bleiben: Der geplante Protesttag sei „erforderlich und angemessen“ um den Zielen Nachdruck zu verleihen. Ordnungs- oder berufsrechtliche Maßnahmen würden den teilnehmenden Apotheken nicht drohen.

Drohen jetzt, wie bei der Bahn, regelmäßige Streiks?

„Es bleibt zu beobachten, wie die Bundespolitik, insbesondere das Bundesgesundheits- und Bundeswirtschaftsministerium mit den Protesten der Apothekerschaft umgeht, denn der Protest richtet sich vor allem dorthin“, erklärt der LAV. Daran würden sich weitere Entscheidungen ausrichten.

Was erhoffen sich die Apotheken durch den Streik?

Das Ziel der Apotheken ist laut Verband ein schnelles und beherztes Handeln: „Insbesondere im Bereich der Lieferengpässe und einer gerechten und angepassten Vergütung der Apotheken für ihre pharmazeutischen Leistungen.“ Dafür brauche es entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen, für die das Bundesgesundheitsministerium zuständig sei, sagt der LAV Baden-Württemberg.

Wie viel Umsatz macht eine Apotheke?

Diese Frage lässt sich laut LAV Baden-Württemberg nicht pauschal beantworten: „Der Umsatz ist unter anderem stark abhängig von der Lage der Apotheken und der Anzahl der Arztpraxen im Umfeld.“ Etwa 83 Prozent des Umsatzes einer durchschnittlichen Apotheke würden mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln generiert werden. Aus dem Grund sei die staatlich festgelegte Honorierung elementar, sagt das LAV Baden-Württemberg: „Eine typische Apotheke macht im Jahr einen Netto-Umsatz in Höhe von 2,25 Millionen Euro.“

Doch weil viele Medikamente, zum Beispiel bei Krebspatienten, sehr hochpreisig seien und auch mal über 1200 Euro lägen, sei nicht der Umsatz relevant, erklärt der LAV Baden-Württemberg, sondern der Ertrag. Das Apothekenhonorar sei aber nicht an den Preis eines Arzneimittels gekoppelt, so der LAV, mit teuren Medikamenten geht also nicht automatisch hoher Gewinn einher.

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Wie steht das Bundesgesundheitsministerium zu den Forderungen der Apotheker?

Das Gesundheitsministerium des Bundes unter Führung von Karl Lauterbach kann die Forderungen der Apotheken nicht nachvollziehen: „Das Klagen der Apothekerinnen und Apotheker widerspricht den Fakten“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums auf SÜDKURIER-Anfrage. In den vergangenen Jahren sei das Einkommen überdurchschnittlich gestiegen, was besonders mit den Corona-Pandemie-Leistungen zusammenhänge. „Da bei Zertifikaten, Impfstoff- und Therapeutika-Logistik kein Finanzeinsatz, sondern nur Arbeitsleistung erforderlich war, haben sich diese Mehrumsätze besonders stark auf das Betriebsergebnis ausgewirkt“, sagt der Sprecher.

Das Ministerium bestätigte zwar, dass eine Anpassung des Fixzuschlags in der Arzneimittelpreisverordnung bereits längere Zeit zurücklägen. In der Zwischenzeit habe es aber eine Reihe an Maßnahmen gegeben, etwa die Einführung einer Nacht- und Notdienstpauschale, die das Apothekenhonorar angehoben hätten.