Lange haben sich Unionspolitiker gegen ein Tempolimit in Deutschland gesträubt. Unter dem Eindruck von Ukraine-Krieg und drohendem Energienotstand beginnt das Umdenken. Ein befristetes Tempolimit auf deutschen Autobahnen dürfe „kein Tabu“ sein, sagt Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Konstanz und klimapolitischer Sprecher der Union. „In dieser Situation muss jede Partei über ihren Schatten springen“, so Jung auf Nachfrage des SÜDKURIER.

So wie er dächten inzwischen viele in der Unionsfraktion des Bundestags, berichtet Jung. Auch in den Orts- und Kreisverbänden seien die Parteimitglieder für den Vorschlag einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen inzwischen offen. Die sich abzeichnende Energieknappheit werde die gesamte Gesellschaft auf die Probe stellen, „da müssen alle Vorschläge, wie man Energie einsparen kann, in den Topf“, mahnt der CDU-Politiker vom Bodensee.

Wird dieses Schild bald überflüssig, weil ohnehin Tempo 130 auf Autobahnen herrscht?
Wird dieses Schild bald überflüssig, weil ohnehin Tempo 130 auf Autobahnen herrscht? | Bild: Jens Büttner

Konkret denkt Jung an Tempo 130. So wie Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann plädiert er dafür, die Regelung auf zwei Jahre zu befristen.

Damit komme man nicht nur besser über die beiden nächsten beiden Winter, sondern könne auch praktische Erfahrungen sammeln, was ein solcher Schritt in Sachen Einsparung und Verkehrssicherheit bringe. Klar ist für den CDU-Mann schon jetzt: „Ein Tempolimit hilft bei beidem, Energiesicherheit und Klimaschutz.“

Keine ganz überraschende Aussage

Völlig überraschend kommt Jungs Forderung nicht, denn in der CDU kämpft der Abgeordnete vom Bodensee, der seit 2005 im Bundestag sitzt, seit langem für eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik. Vor der Bundestagswahl 2021 scheute er sich als Mitglied im Kompetenzteam von Kanzlerkandidat Armin Laschet nicht vor klaren Worten. „Für mich ist das Tempolimit kein Tabu“, sagte der 47-Jährige im September bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Hegau-Gemeinde Beuren.

In seiner Begründung verweist Jung auf eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes (UBA). Dieses hatte kürzlich vorgerechnet, wie sich Energie sparen lässt. Ein Punkt lautet: Weniger und vor allem langsamer mit dem Auto fahren. Verringern die Autofahrer die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 Kilometer pro Stunde und auf 80 km/h auf Straßen außerorts, spart das 2,1 Milliarden Liter fossilen Kraftstoff ein, so die Kalkulation. Damit könne Deutschland auf Anhieb 3,8 Prozent des im Verkehrssektor verbrauchten Kraftstoffs einsparen.

„Koalitionsvertrag ist überholt“

Kein Verständnis hat Jung daher für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der ein Tempolimit mit Blick auf die Koalitionsvereinbarungen ausgeschlossen hat. Dazu Jung: „Der Koalitionsvertrag kann in dieser Krise doch nicht der Maßstab sein. Spätestens seit der Zeitenwende-Rede des Kanzlers ist er überholt.“

Auch andere Parteien hätten sich unter dem Eindruck der Ereignisse bewegt. Gleichwohl stemmt sich die FDP weiterhin vehement gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Auch im Maßnahmenbündel zum Energiesparen, das Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in dieser Woche vorstellte, fehlt der Vorschlag.

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Dennoch geht es Jung nicht allein ums Rasen, Ausbremsen und Spritsparen. Der Vorschlag zum Tempolimit ist nur einer von mehreren. Die Bundesregierung dürfe nicht nur über einzelne Maßnahmen diskutieren, sondern müsse endlich zu einer überzeugenden Strategie kommen, um sich auf einen möglichen Energienotstand vorzubereiten, mahnt der CDU-Politiker. „Da muss mehr gemacht werden“, sagt Jung.

Unter anderem fordert er Energiespargutscheine für Privathaushalte, Sparkonzepte für öffentliche Gebäude sowie einen höheren Anteil von Mais und Biomasse bei der Energie-Erzeugung.

Atomkraftwerke für Jung eine Option

Auch die Atomkraft ist für den Akw-Gegner Jung kein Tabu. Noch laufen drei Kernkraftwerke in Deutschland – zum Jahreswechsel sollen sie vom Netz. „Wollen wir wirklich genau in diesem Winter abschalten, in dem die Regierung selbst einen Energienotstand fürchtet?“, fragt Jung. Der Atomausstieg solle nicht rückgängig gemacht werden, es gehe jetzt um die Frage, ob man die Meiler drei, vier Monate länger laufen lasse, bis die kalte Jahreszeit überstanden sei, statt wie die Ampelkoalition beim Ersatz der Gasverstromung auf CO2-intensive Kohlekraft zu setzen.