Die Corona-Impfungen in Baden-Württemberg und ganz Deutschland sind gestartet. Der Landesregierung und den Gesundheitsbehörden stehen nun logistische Herausforderungen bevor. Jeder Mensch in Baden-Württemberg soll nach und nach die Möglichkeit bekommen, sich gegen die Erkrankung mit Covid-19 schützen zu lassen. Über das ganze Land verteilt wird es Impfzentren und mobile Impfteams geben.
Wer wird als erstes geimpft?
Ältere über 80 Jahre und Pflegeheimbewohner haben zusammen mit medizinischem Personal die höchste Priorität. In Baden-Württemberg waren Ende 2019 rund 720.000 Menschen 80 Jahre oder älter – laut Statistischem Bundesamt ein Anteil von 6,5 Prozent der Bevölkerung im Südwesten.
Für die Arbeit der mobilen Impfteams sei das Gesundheitsministerium mit den Trägern der Altenhilfe im Land in engem Kontakt, so Minister Manne Lucha (Grüne). In einem nächsten Schritt sollen Menschen ab 70 Jahren und mit Vorerkrankungen sowie etwa Menschen mit Demenz oder einer Behinderung vorrangig eine Impfung erhalten. Auch Menschen mit Kontakt zu Schwangeren oder Pflegebedürftigen und Mitarbeiter für den Betrieb von Kliniken haben Vorrang.
Weniger dringlich ist die Impfung für Menschen unter 60 Jahre und ohne Vorerkrankungen. Auch, wer zusätzlich nicht mit Risikopatienten in Kontakt kommt oder berufsbedingt viele Menschen trifft, hat geringere Priorität. Dies hat der Bund in einer Impfverordnung geregelt, die mit der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI) ausgearbeitet wurde.
Gesundheitsminister Lucha betonte: „Der Impfstoff ist noch begrenzt.“ Deshalb würden nicht alle Menschen, auch nicht alle vulnerablen Gruppen sofort geimpft werden können. Es sei noch Geduld gefragt.
Wo bekomme ich die Impfung?
Über das ganze Land verteilt wird es zunächst neun zentrale Impfzentren (ZIZ) in den Städten Freiburg, Offenburg, Karlsruhe, Heidelberg, Stuttgart (2), Rot am See, Tübingen und Ulm sowie ein großes Impfzentrum in Mannheim geben. Dort soll das Impfen am Sonntag beginnen.
Zudem starten mobile Impfteams, die in Pflegeheime und etwa zu bettlägerigen Menschen nach Hause fahren sollen. Auch das Personal in Kliniken soll so geimpft werden können.
Ab Mitte Januar sollen zudem in den Stadt- und Landkreisen rund 50 Kreisimpfzentren (KIZ) bereit stehen. Später im Jahr wird es die Impfung dann beim Hausarzt geben.
Wie läuft die Impfung ab?
In den Impfzentren kann man nicht einfach vorbeikommen. Wer die freiwillige Impfung erhalten möchte, muss sich dazu über die Telefonnummer 116 117, online über die Webseite www.116117.de oder die gleichnamige App anmelden. Die Impfung sollte in zwei Dosen im Abstand von rund drei Wochen erfolgen, man bekommt deshalb zwei Impftermine zugeteilt.
Im Impfzentrum wird zunächst allgemein über die Impfung aufgeklärt, es folgt eine individuelle Aufklärung durch einen Arzt, etwa zu Risiken durch Allergien oder Vorerkrankungen. Erst dann geht es zur Impfung. Nach dem Piekser in den Arm soll man noch für eine 30-minütige Beobachtung dableiben. Die Impfzentren sind sieben Tage die Woche von 7.00 bis 21.00 Uhr geöffnet.
Wie viele Impfdosen gibt es im Land zu Beginn?
Der erste in der EU und damit in Deutschland zugelassene Impfstoff wurde von dem Mainzer Unternehmen Biontech zusammen mit den US-Pharmakonzern Pfizer entwickelt. Ab Ende Dezember sollen zunächst 87 750 Dosen des Corona-Impfstoffs pro Woche in den Südwesten geliefert werden, wie aus einem Lieferplan von Biontech hervorgeht.
Am Wochenende soll eine erste Tranche von 9750 Dosen im Südwesten eintreffen. Ab dem 30. Dezember folgen jede Woche rund 90.000 weitere Dosen. Zum 6. Januar möchte die europäische Zulassungsbehörde EMA zudem über die Zulassung des Präparats des Unternehmens Moderna entscheiden.
Was ist das für ein Impfstoff?
Der Biontech/Pfizer-Impfstoff basiert auf dem Botenmolekül mRNA, das im Körper die Bildung eines Virus-Eiweißes anregt. Dies löst eine Immunreaktion aus, die den Menschen vor dem Virus schützen soll. Nach der ersten Impfung besteht demnach eine Grundimmunisierung.
Voraussichtlich zwei bis drei Wochen nach der zweiten Impfung ist ein voller Schutz aufgebaut, schätzt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, das hierzulande die Zulassung von Impfstoffen überwacht. Bisherigen Analysen und Tests zufolge schützt das Biontech-Serum wohl mit 95-prozentiger Wirkung vor einer Covid-19-Erkrankung.
Was ist mit Nebenwirkungen?
Diese sind wie bei anderen Impfungen nicht ausgeschlossen. Wer sich impfen lässt, muss mit Müdigkeit, Kopfweh oder Schmerzen an der Einstichstelle rechnen. Das geht aus einer jüngst im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat hervor. Für die Studie wurden knapp 45.000 Männer und Frauen untersucht. Weitere Symptome: Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen, teilweise auch Fieber. Diese waren im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Das Land möchte in den zentralen Impfzentren pro Tag rund 1500 Menschen impfen können. Bei einem täglichen Betrieb der Zentren könnten so im ersten Monat nach Start rund 42.000 Menschen in jedem der neun zentralen Impfzentren geimpft werden.
In den Kreisimpfzentren, die Mitte Januar starten sollen, rechnet die Landesregierung mit bis zu 750 Impfungen am Tag. Bei gleichen Betrieb mit sieben Tagen in der Woche wären hier bis zu 21.000 Impfungen pro Impfzentrum in jedem Kreis möglich. Dazu kommen noch die Impfungen der mobilen Teams in Pflegeheimen und bei nicht mehr mobilen Menschen zu Hause, sowie die Impfungen in Kliniken.
Bis wann sind genügend Menschen im Südwesten geimpft?
Um die Pandemie zu stoppen, müssten nach Schätzung von Experten etwa 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft werden. Das wären bis zu 58 Millionen Menschen. Bis wann das gelingen könnte, hängt von mehreren Faktoren wie der Verfügbarkeit der Impfstoffe und auch der Impfbereitschaft der Menschen ab.
Im Südwesten gab bei einer Ende November veröffentlichten Umfrage nahezu die Hälfte der Menschen an, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. In der repräsentative Befragung der Barmer-Krankenkasse mit 2000 Teilnehmern hielten es 59 Prozent der Befragten demnach für verantwortungslos, sich nicht impfen zu lassen. Etwa jeder vierte Befragte erklärte, für ihn komme eine Corona-Impfung nicht infrage.
Gesundheitsminister Lucha sagte, man könne diese Pandemie nur in den Griff bekommen, indem sich möglichst viele Menschen auch impfen lassen. „Die Sehnsucht nach Normalität können wir uns nur erfüllen, indem wir eine Herdenimmunität von 65 bis 70 Prozent der Bevölkerung erreichen.“
Was kostet die Impfung?
Sie soll gratis sein – und das unabhängig davon, ob und wie jemand versichert ist. Die Kosten für die Impfstoffe übernimmt der Bund. Dafür stehen im Etat des Bundes im neuen Jahr zunächst 2,7 Milliarden Euro bereit. Das Land übernimmt die Personal- und Sachkosten. Allein in den Impfzentren erwartet das Land bis Mitte April Kosten von rund 58,2 Millionen Euro. Die Beschaffung des Impfbestecks und die Impfstoff-Logistik sind mit 15 Millionen Euro veranschlagt.
Gibt es einen Impfzwang?
Nein.
(dpa)