Baden-Württemberg kippt die Inzidenz als alleinigen Richtwert für Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bereits von kommendem Montag an sollen Obergrenzen für Veranstaltungen fallen, Betriebe unter Volllast öffnen dürfen und die Menschen unbeschränkten Zutritt zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens genießen – vorausgesetzt, sie gehören zu der „GGG“-Gruppe, sind also entweder vollständig geimpft, können eine Genesung nachweisen oder einen aktuellen negativen Test vorlegen. Je nach Anlass reicht aber ein Schnelltest nicht mehr aus, ein (kostenpflichtiger) PCR-Test wird Pflicht, so das baden-württembergische Sozialministerium. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu, aktualisiert am 13. August.

Wie kommt es zu dem Kurswechsel?

Bereits mehrfach hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialminister Manfred Lucha (beide Grüne) geäußert, die bislang maßgebliche Inzidenz – also die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche – könne nicht länger als Grundlage für ordnungspolitische Maßnahmen gelten, da sich das Infektionsgeschehen und die Belastung des Gesundheitswesens entkoppelt haben. Damit entfällt eine juristische Grundlage für die Einschränkungen, nämlich, die Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Einschränkungen für Geimpfte sind damit nicht mehr zu rechtfertigen.

Eine Änderung der Corona-Verordnung mit der turnusmäßig anstehenden Erneuerung der Verordnung war daher ohnehin geplant. Die neue Verordnung soll aber nun bereits am Montag, 16. August, in Kraft treten, eine Woche früher als bislang geplant. Das hat die Landesregierung am Mittwoch im Nachgang der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin am Vortag beschlossen.

Können jetzt Theater, Konzerthallen, Kinos, Clubs und Diskotheken wieder unbegrenzt Publikum zulassen?

Ja. Es ist vorgesehen, dass die Personenobergrenze bei kulturellen Veranstaltungen im Innenbereich sowie in Clubs und Diskos fällt. Alle Einrichtungen können unter Vollauslastung öffnen. Voraussetzung für den Besuch ist aber der Nachweis einer vollständigen Impfung, einer Genesung oder – im Falle von Clubs und Diskotheken – auch eines negativen PCR-Tests. Die Einrichtungen und Veranstalter müssen dies überprüfen. Ursprünglich sollte das auch für Kulturveranstaltungen gelten - am Freitag gab das Sozialministerium aber bekannt, dass hier ein Schnelltest genügen soll.

Clubs sollen für Geimpfte, Genesene und PCR-Gesteste unter Volllast öffnen dürfen.
Clubs sollen für Geimpfte, Genesene und PCR-Gesteste unter Volllast öffnen dürfen. | Bild: Felix Kästle/dpa

Was ist mit Sportveranstaltungen und Stadionbesuchen?

Hier gab das Sozialministerium am Freitag erstmals konkrete Pläne bekannt: Bei Veranstaltungen im Freien bis 5000 Besuchern soll die komplette Belegung der Veranstaltungsstätte möglich sein, also auch von Stadien. Darüber sind aber nur 50 Prozent Auslastung erlaubt. Allerdings gibt es eine Obergrenze von 25.000 Menschen für Freiluftveranstaltungen, selbst wenn die Kapazität dann nicht zu 50 Prozent ausgenutzt wird.

Gibt es für Bürger kostenlose PCR-Tests?

Nein. Bis Mitte Oktober übernimmt der Staat zwar noch die Kosten für Antigenschnelltest. PCR-Tests, für die mindestens 50 Euro fällig werden, müssen dagegen in der Regel selbst bezahlt werden, so sie nicht wegen Corona-Symptomen oder Kontakt zu Infizierten angeordnet wurden.

Ein PCR-Test wird unter Umständen Pflicht.
Ein PCR-Test wird unter Umständen Pflicht. | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Wozu braucht man künftig dann noch einen Antigenschnelltest?

Nach bisherigen Planungen soll für den Besuch von Innengastronomie, Frisören und anderen körpernahen Dienstleistern weiter ein Antigenschnelltest ausreichen, sofern die Kunden keine Impfung oder Genesung nachweisen können. Das Sozialministerium teilt am Mittwoch dazu mit: „Grundsätzlich ist geplant: Dort, wo intensive Körpernähe nicht zu vermeiden ist, ist ein PCR-Test notwendig. Wo nicht, reicht auch ein Antigenschnelltest. Die genauen Bereiche werden dieser Tage definiert werden.“

Was ist mit Tests bei Kindern, für die es ja keine Impfempfehlung gibt und mit Menschen, die sich nicht impfen lassen können?

Nach Auskunft des Sozialministeriums brauchen Kinder voraussichtlich keine Tests. Geplant ist, folgende Gruppen von der Testpflicht auszunehmen: Kinder unter sechs Jahren, Schüler, die im Rahmen eines verbindlichen schulischen Schutzkonzeptes regelmäßig getestet werden,  sowie Menschen, die aufgrund eines Attestes nicht geimpft werden können. Bis zum Beginn des kommenden Schuljahres sollen Schüler von der Testpflicht befreit werden,  danach werden sie ohnehin in der Schule getestet. Details werden allerdings derzeit noch innerhalb der Landesregierung abgestimmt und stehen erst am Wochenende mit der neuen Verordnung fest.

Wird jetzt benachteiligt, wer sich nicht impfen lassen kann oder möchte und keinen PCR-Test bezahlen kann?

Dazu sagt Sozialminister Manfred Lucha: „Es steht jedem frei, am gesellschaftlichen Leben geimpft oder getestet teilzunehmen. Wir wollen und wir werden den Menschen ihre Freiheitsrechte zurückgeben. Aber da die Pandemie noch nicht vorbei ist, geht das nur mit ‚3 G‘. Ich appelliere noch einmal an die Menschen: Lassen Sie sich impfen.“ Die Impfzentren hätten inzwischen genügend frei Termine, so Lucha, und weiter: „Auch überbieten sich die Kommunen nahezu in kreativen Vor-Ort-Aktionen, die alle auf unserer Kampagnen-Seite www.dranbleibenbw.de zu finden sind.“

Eröffnet bald noch mehr Freiheiten: Der Impfpass. Für Geimpfte und Genesene ist ab Montag mehr möglich, vor allem größere Veranstaltungen.
Eröffnet bald noch mehr Freiheiten: Der Impfpass. Für Geimpfte und Genesene ist ab Montag mehr möglich, vor allem größere Veranstaltungen. | Bild: Stefan Puchner/dpa

Was ist mit der Maskenpflicht und den Abstandsregeln?

Sie gelten nach derzeitigem Stand auch in der neuen Verordnung uneingeschränkt weiter. Die Abstands- und Hygieneregeln im Alltag sowie die Maskenpflicht im Einzelhandel und öffentlichen Verkehrsmitteln und weiteren Einrichtungen bleiben erhalten.

Ich habe Fragen zu Spezialfällen. Wo und wann kann ich nachprüfen, was ab Montag gilt?

Die neue Verordnung wird derzeit noch von der Landesregierung auf Grundlage der Änderungen erarbeitet und vermutlich erst am Wochenende in ihrer rechtsgültigen Form vorliegen. Die Verordnung wird dann wie bislang auf den Internetseiten der Landesregierung und des Sozialministeriums veröffentlicht. In Kraft treten soll sie in der Nacht zu Montag, 16. August. Auf suedkurier.de informieren wir unverzüglich über die Details, sobald die neue Verordnung vorliegt. Die Landesregierung hat aber auch bereits angekündigt, dass bis 23. August eine Übergangsphase gelten soll, die Regeln also noch nicht streng kontrolliert werden sollen.

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Gilt das Stufenkonzept noch, wenn Inzidenzen keine Rolle mehr spielen?

Nein. Laut Sozialministerium wird die Inzidenz ordnungspolitisch keine Rolle mehr spielen in der nächsten Verordnung. Auch vom bisherigen Stufenkonzept wird sich das Land verabschieden. Im Moment werden noch neue Indikatoren definiert, die besser zur Beurteilung der aktuellen Lage taugen. Dazu gehören neben der weiterhin als eines der Kriterien geltenden Inzidenz auch die Hospitalisierung – also die Zahl der Corona-Fälle, die im Krankenhaus behandelt werden müssen – und die Auslastung der Intensivbetten. Danach richten sich dann auch mögliche neuerliche Einschränkungen. Dies wird im Moment noch von der Landesregierung festgelegt.