Seine Vorfahren stammten vom Heuberg, und die väterliche Ahnenreihe führt direkt zu einer Kreenheinstetter Familie, die vor mehr als 350 Jahren einen berühmten Spross hervorbrachte: Ulrich Megerle, genannt Abraham a Sancta Clara. Die Verwandtschaft mit dem spruchgewaltigen Wiener Hofprediger, den Schiller in seiner „Wallenstein“-Trilogie verewigte, konnte er nie ganz verbergen: Franz Oexle, früherer Chefredakteur dieser Zeitung, machte das Wort zu seiner Profession. Mehr als 20 Jahre leitete er die Geschicke des SÜDKURIER. Und er liebte stets die kernige Formulierung, den griffigen Kommentar, den rustikalen Vergleich. Nun ist er im Alter von 95 Jahren in seinem Haus in Gottlieben/Thurgau gestorben.

Ein Bild wie aus einem anderen Leben: Oexle mit seiner Sekretärin Fräulein Roswitha Klisch und dem Kulturredakteur Stadler.
Ein Bild wie aus einem anderen Leben: Oexle mit seiner Sekretärin Fräulein Roswitha Klisch und dem Kulturredakteur Stadler.

Verlernt hatte der frühere Chefredakteur in den Jahren seines Ruhestands nichts, auch wenn er nur noch selten publizierte. Ein Gespräch mit ihm lohnte sich immer: Franz Oexle blieb bis zuletzt der scharfkantige, pointierte Analytiker, als den ihn seine Leser zu schätzen wussten. Die politische Entwicklung in Deutschland und der Welt verfolgte er mit Distanz und beneidenswertem Scharfblick, auch wenn ihm in den Monaten vor seinem Tod die Gesundheit immer mehr zu schaffen machte, sodass er, umsorgt von seiner Tochter Constanze, sein geräumiges Haus im Kanton Thurgau nicht mehr verlassen konnte. Sie hatte sich in den vergangenen Monaten intensiv um den Vater gekümmert und ihm ermöglicht, was er sich immer gewünscht hatte: Er wollte die letzten Wochen seines Lebens im eigenen Heim verbringen. Geliebte Gewohnheiten pflegte er bis zuletzt: Noch am Donnerstag rauchte er die geliebte Zigarre auf dem Balkon und trank dazu einen Espresso. Am Palmsonntag dann starb er mittags. Er sei still gegangen, berichtet seine Tochter. Und geistig klar.

Die Frauenquote ist noch überschaubar: Redaktionskonferenz in der Kapelle des ehemaligen Konstanzer Spitals.
Die Frauenquote ist noch überschaubar: Redaktionskonferenz in der Kapelle des ehemaligen Konstanzer Spitals.

Im Gottlieber Haus türmten sich die Zeitungsstapel, darunter der SÜDKURIER, den er bis zuletzt täglich mit größter Aufmerksamkeit las. Als es mit der Lektüre nicht mehr gehen wollte, ließ er sich jene Artikel herausschneiden, deren Autoren er kannte und schätzte.

Oexle mit einem Gesprächspartner in London. Er verbrachte mehrere Jahre als Korrespondent in Großbritannien.
Oexle mit einem Gesprächspartner in London. Er verbrachte mehrere Jahre als Korrespondent in Großbritannien.

In seinem Haus entstanden auch seine 1999 vorgelegten Erinnerungen mit dem Titel „Der Grenzgänger“. Ein solcher Grenzgänger ist Franz Oexle in der Tat zeit seines Lebens geblieben. Das Elternhaus stand in Überlingen am Bodensee, seine Wurzeln sind alemannisch. Nazi-Herrschaft und Krieg griffen bald auch in sein Leben ein. Die Soldatenjahre führten ihn nach Russland und Frankreich. Sie prägten ihn tief. Nach dem Krieg folgte ein Studium der Literaturwissenschaft und der Geschichte in Freiburg, Tübingen und Basel mit anschließender Promotion. Bleibend beeindruckte ihn ein Studienaufenthalt in den USA. Ihm folgten viele weitere Reisen rund um die Welt.

Mit Lothar Späth (M), dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, in Asien.
Mit Lothar Späth (M), dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, in Asien.

Als Journalist steuerte Oexle frühzeitig auf eine Führungsrolle zu. Nach Stationen als Politikredakteur und Chef vom Dienst übernahm er 1966 die Chefredaktion – eine Aufgabe, die er bis zu seinem Ruhestand 1987 mit größter Souveränität wahrnahm. Obwohl sein Blick stets in die Welt hinausfiel, entschied er sich für die Zeitung seiner Heimat. Der Kosmos zwischen Bodensee, Hochrhein und Schwarzwald war ihm wichtiger als das „austauschbare Anderswo“, bekannte er einmal.

Mit dem Kanzler unterwegs nach Washington: Franz Oexle (l.) mit Kurt Georg Kiesinger an Bord einer Boeing im Jahr 1969.
Mit dem Kanzler unterwegs nach Washington: Franz Oexle (l.) mit Kurt Georg Kiesinger an Bord einer Boeing im Jahr 1969.

Auch seinen politischen Standpunkt vertrat er mit der gleichen Vehemenz wie einst sein Ur-Oheim vom Heuberg. Als Ende der 60er-Jahre der Zeitgeist von links zu wehen begann, stellte er sich unnachgiebig gegen den Wind. Die sozialliberale Koalition von Willy Brandt und Helmut Schmidt begleitete er ebenso kritisch wie später das Wirken von Helmut Kohl. Die dunklen Wolken über der Europäischen Union und den Klimasturz in den deutsch-amerikanischen Beziehungen sah er in jüngster Zeit mit wachsender Sorge. Ebenso bestürzten ihn in den vergangenen Jahren die innenpolitischen Veränderungen in Deutschland. Auch hier brachte er im Gespräch mit den früheren Kollegen die Kritik stets auf den Punkt.

Franz Oexle mit der früheren SÜDKURIER-Herausgeberin Brigitte Weyl am Tag seiner Verabschiedung im Jahr 1988.
Franz Oexle mit der früheren SÜDKURIER-Herausgeberin Brigitte Weyl am Tag seiner Verabschiedung im Jahr 1988.

Zu seiner Redaktion hielt er bis zuletzt engen Kontakt, auch wenn es zuletzt gesundheitsbedingt etwas stiller um den früheren Chefredakteur wurde. Der SÜDKURIER verdankt ihm viel. Man merkte es auch daran: Bei vielen Kollegen war er noch präsent, als er schon längst im Ruhestand war.

SÜDKURIER-Geschäftsführer Rainer Wiesner, Franz Oexle und Stefan Lutz, der aktuelle Chefredakteur.
SÜDKURIER-Geschäftsführer Rainer Wiesner, Franz Oexle und Stefan Lutz, der aktuelle Chefredakteur.

Die Chefredakteure des SÜDKURIER

1945 bis 1946: Dr. Fritz Harzendorf

1946 bis 1949: Redaktionsausschuss, der sich zusammensetzte aus Hermann Fiebing, Hermann Dörflinger, Karl Großhans, Rudi Goguel, Friedrich Munding

1949: Herbert C. Goldscheider

1949 bis 1950: Dr. Otto Häcker

1951 bis 1966: Alfred Gerigk

1966 bis 1987: Dr. Franz Oexle

1988 bis 1994: Gerd Appenzeller

1994 bis 2005: Werner Schwarzwälder

2005 bis 2010: Thomas Satinsky

2010: Dr. André Uzulis

seit 2010: Stefan Lutz