„Ich heiße Winfried Kretschmann und meine Lieblingstiere wechseln“. Zurzeit sei es der Mauersegler, sagt der baden-württembergische Ministerpräsident von den Grünen. Bei bestem Sommerwetter sitzt er im Park seines Amtssitzes in Stuttgart – um ihn herum Jugendliche auf Picknickdecken, die über die Einhaltung von Klimazielen diskutieren wollen. Für Landtagsdebatten eher unüblich, stellt sich am Anfang jeder mit seinem Namen und seinem Lieblingstier vor. Doch bei dem Aufeinandertreffen von Jugend und Politik am Samstag bestimmen die Jugendlichen die Regeln.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, begrüßt im Park der Villa Reitzenstein ...
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, begrüßt im Park der Villa Reitzenstein Jugendliche zur Veranstaltung „Zu Hören – Zuhören“, bei der zahlreiche junge Menschen, darunter auch Fridays-for-Future-Aktivisten, Stellung zu aktuellen Themen beziehen und sich mit Politikern austauschen. | Bild: Christoph Schmidt, dpa

Dabei ist auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Lucia Parbel, die gleich zu Anfang starke Kritik übt: „Bei andauerndem Missbrauch der Staatsgewalt besteht ein Notwehrrecht des Volkes“, zitiert sie einen Spruch, den sie vor Kurzem gelesen habe. Ihre Mitstreiterin Nisha Toussaint-Teachout sagt, die Klimakrise sei nur die Spitze des Eisberges. „Was darunter liegt, ist eine Generationenfrage, ist eine Gerechtigkeitsfrage.“

Die Fridays-for-Future-Aktivisten Lucia Parbel (l-r) und Nisha Toussaint-Teachout sprechen bei der Veranstaltung „Zu Hören – ...
Die Fridays-for-Future-Aktivisten Lucia Parbel (l-r) und Nisha Toussaint-Teachout sprechen bei der Veranstaltung „Zu Hören – Zuhören“ im Park der Villa Reitzenstein neben baden-württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Schauspielintendant Burkhard Kosminski zu Jugendlichen. Bei der Aktion nehmen zahlreichen junge Menschen, darunter auch Fridays-for-Future-Aktivisten, Stellung zu aktuellen Themen und tauschen sich mit Politikern aus. | Bild: Christoph Schmidt, dpa

Während der vom Schauspiel Stuttgart initiierten Veranstaltung tragen unter anderem Schüler baden-württembergischer Gymnasien und Theaterjugendgruppen ihre Anliegen vor, mit Lesungen, Vorträgen, Theaterstücken und Diskussionen. Zu ihrem Publikum und Diskussionspartnern gehören neben dem Hausherren Kretschmann unter anderen Innenminister Thomas Strobl (CDU), Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) und der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Stoch.

Während des Programmpunkts „Mehrheit zu verschenken“ können Politiker und Jugendliche beispielsweise innerhalb von 60 Sekunden politische Anträge vortragen, über die das im Park versammelte Publikum abstimmt. Andreas Stoch schlägt die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs vor, Cem Özdemir fordert, dass Bundesligavereine CO2-neutral werden und Verkehrsminister Hermann fordert mehr Zebrastreifen und weniger Ampeln für Fußgänger. Fast alle Anträge werden angenommen.

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg (M), spricht im Park der Villa Reitzenstein bei der Veranstaltung ...
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg (M), spricht im Park der Villa Reitzenstein bei der Veranstaltung „Zu Hören – Zuhören“ mit Fridays-for-Future-Aktivisten. Bei der Veranstaltung kommen junge Menschen mit Politikern in Kontakt und tauschen sich über aktuelle Themen und Interessen aus. | Bild: Christoph Schmidt, dpa

Auch bei der Klimapolitik sind Jugendliche und Politiker häufig auf einer Linie – jedenfalls was die Ziele angeht. „Dass wir jetzt mit den Fridays for Future als Grüne nicht die größten Probleme haben, das ergibt sich ja aus dem Thema“, sagt der Ministerpräsident. Unterhalb der Oberfläche habe es dennoch heftige Debatten gegeben, erklärt Kretschmann. Ungeduld treffe auf Erfahrung.

„Wir hatten schon ein Gespräch mit deutlich inhaltlichen Differenzen mit Herrn Kretschmann“, sagt auch Lucia von Fridays for Future. Die Veranstaltung sei ein Teil ihrer Versuche, etwas an der Klimapolitik zu ändern. „Es sind viele kleine Schritte.“ (dpa)