Das Virus, das eine neue Atemwegserkrankung auslöst, verunsichert viele Menschen. Besonders Ältere gelten als Risikopatienten: „Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an“, heißt es beim Robert-Koch-Institut. Die bisherigen Todesopfer von Corona in Italien sind im Durchschnitt 81 Jahre alt. Wie bereiten sich Altersheime in der Region auf eine mögliche Infektion vor? Und wie werden Heimbewohner geschützt?
SÜDKURIER-Leser Rainer Ehlert macht sich Sorgen. Nicht um sich. Sondern um seinen Vater. Der 91 Jahre alte Mann lebt seit drei Jahren in einem Singener Altersheim. Dort seien zunächst keine Vorkehrungen getroffen worden mit Blick auf das Coronavirus, sagt Ehlert. Am Wochenende sei das Heim gut besucht, Einschränkungen für Besucher gebe es bislang aber nicht.
Temperaturmessen am Eingang
Der SÜDKURIER besucht das Pflegezentrum Hirschhalde in Bad Dürrheim, in dem 120 Bewohner leben. 80 Prozent von ihnen gehören zur Risikogruppe. Der älteste Bewohner hier ist laut Heimleitung 98 Jahre alt. Besucher dürfen nur noch über den Haupteingang hereinkommen. Dort weist ein großes Schild darauf hin, dass man sich beim Empfang melden soll – daneben steht ein Desinfektionsspender. Die Mitarbeiterin am Empfang protokolliert den Namen jedes Besuchers, ebenso den Zeitraum des Aufenthalts.

Wer in den vergangenen 14 Tagen in einem der vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet bezeichneten Regionen unterwegs war, wird gebeten, das Gebäude wieder zu verlassen. Zudem wird bei jedem Besucher mit Hilfe eines kontaktlosen Infrarotgeräts die Temperatur gemessen. 36,5 Grad – die Reporterin vom SÜDKURIER darf passieren.

Barbara Müller ist die stellvertretende Leiterin des Instituts. „Wir haben ein größeres Problem mit der aktuellen Grippewelle„, sagt die 36-Jährige. Die Symptome sind bei Covid-19, der Atemwegserkrankung, die das Coronavirus auslöst, aber ähnlich. Dennoch sieht Müller keinen Grund zur Panik. „Wir sollten Ruhe bewahren“, betont sie.
Bei den Bewohnern werde vorsorglich zwei Mal täglich die Temperatur gemessen, auch beim Personal zu Dienstbeginn. Stationsübergreifende Veranstaltungen wurden bis auf Weiteres abgesagt. Für Besucher gebe es aber bis auf die Hygienemaßnahmen keine Einschränkungen. Im Ernstfall würde ein Patient in seinem Zimmer isoliert und weitere Schritte mit dem Gesundheitsamt in Villingen abgestimmt. Schutzausrüstung wie Kittel und Masken seien im Haus.
Beim Singener Pflegeheim Sonnenhalde werden die Besucher ebenfalls befragt, ob sie Erkältungssymptome haben und über das Virus „informiert“, sagte Heimleiterin Heidrun Gonser dem SÜDKURIER auf Anfrage. Desinfektionsspender gebe es ohnehin. Für die Bewohner gebe es keine besonderen Maßnahmen, auch dürften diese das Haus verlassen – in der Regel wollten sie ohnehin nur ums Haus spazieren, ergänzt Gonser. „Wir halten uns an die Vorgaben des Gesundheitsamts“, betont sie abschließend.
Im Seniorenzentrum St. Franziskus in Bad Säckingen sieht Geschäftsführer Hartmut Fricke warnt vor falscher Panik mit Blick auf das Virus. Der 63-Jährige betont, seine Einrichtung sei „sensibilisiert“, man möge aber „die Kirche im Dorf lassen“. Präventionsmaßnahmen gegen multiresistente Keime wie das Norovirus würden ohnehin ergriffen. Die jährliche Grippewelle stellt auch aus seiner Sicht eine größere Gefahr für vorerkrankte Senioren dar.
Auch im St.Franziskus sind Besucher gehalten, sich die Hände zu desinfizieren. Einschränkungen von Besuchszeiten oder Besucherzahlen gebe es aber nicht, betont Fricke. Diese könnten nach Absprache mit dem Gesundheitsamt aber eingeführt werden. Das sei in der derzeitigen Situation aber nicht notwendig. Fricke appelliert an die Eigenverantwortlichkeit der Besucher. Angehörige seien informiert und würden gebeten, bei Erkältungssymptomen von einem Besuch abzusehen. Wer in einem Risikogebiet war, sollte zu Hause bleiben. Öffentliche Veranstaltungen wie Konzerte oder Feste seien in nächster Zeit nicht geplant.
Vorgehen wie bei anderen Viren und Keimen
Bei einem Verdachtsfall wird nach vorgegeben Standards gehandelt, bestätigen mehrere Einrichtungen. Joachim Limberger ist Leiter der gleichnamigen Rehaklinik in Bad Dürrheim. Im Haus seien drei Testkits vorhanden, sagt er dem SÜDKURIER. Bei einem Verdachtsfall werde der Patient sofort in seinem Zimmer unter Quarantäne gestellt, Personal betrete den Raum nur noch mit Schutzkleidung, die Räumlichkeiten würden desinfiziert.
„Das ist dasselbe Vorgehen wie bei jedem anderen Keim“, macht der Klinikleiter klar und verweist auf das weitverbreitete Norovirus. Wer gegebenenfalls in ein Krankenhaus überstellt werden muss, entscheiden Ärzte und das zuständige Gesundheitsamt. Aber der Betrieb muss nicht automatisch eingestellt werden.
Besonnenheit gefragt
„Wir versuchen im Moment, den Menschen Ängste zu nehmen und aufzuklären“, sagt Fricke. „Natürlich haben wir hier Risikogruppen. Aber lediglich Patienten mit Vorerkrankungen sind gefährdet. Nicht jeder über 80-Jährige, der sich infiziert, wird daran sterben“, macht er klar.
Im Heim, in dem der Vater von SÜDKURIER-Leser Ehlert untergebracht ist, seien inzwischen hausinterne Gruppenveranstaltungen ausgesetzt worden, sagt Ehlert. Einschränkungen für Besucher gebe es aber nach seinem Kenntnisstand nicht. „Dass es keinen 100-prozentigen Schutz geben kann, ist mir klar“, ergänzt der 65-Jährige. Aber er würde sich wünschen, dass die Heime sensibel mit der Ansteckungsgefahr des Virus umgehen.