Es ist 2 Uhr morgens im Kneipenviertel in St. Georgen im Schwarzwald. Aus dem Rosenmontag ist die Luft raus. Doch plötzlich kommt es vor einem Bistro zu einem brutalen Angriff. Zwei Männer traktieren einen 37-Jährigen mit Schlägen und Tritten. Er wird von herbeigerufenen Rettungskräften und Notarzt vor Ort behandelt und ins Krankenhaus eingeliefert. Die mutmaßlichen Täter flüchten zusammen mit einer Frau, das Opfer Paul B. hat eine Gehirnerschütterung und Prellungen am linken Arm erlitten. Die Polizei meldet den Angriff, schreibt ihm keinen besonderen Grund zu und fügt eine vage Täterbeschreibung an.

Was zunächst den Charakter einer derben Kneipenprügelei zu haben scheint, bekommt am Folgetag einen bedenklichen Unterstrich. Denn der verprügelte Mann, ein Franzose, ist dunkelhäutig. Die letzten Worte, die er nach eigenen Angaben gehört haben will, ehe das mehrminütige Martyrium begann, waren: „Da kommt der Neger!“
Täter und Opfer kannten sich
Bei den Verdächtigen, die ihn offenbar abgepasst und mit Quarzhandschuhen und Schlagringen bearbeitet haben, handelt es sich laut Paul B. um ein ihm bekanntes St. Georgener Paar, das erst seit einigen Jahren in der Stadt lebt. Über den zweiten Mann ist nichts weiter bekannt. Paul B. hatte bis vor zwei Jahren einige Zeit bei dem Paar gewohnt. Seitdem habe jedoch kein Kontakt mehr bestanden, unter anderem deshalb, weil die beiden aus ihrer rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung keinen Hehl gemacht haben. Eine kurze Recherche des SÜDKURIER in den sozialen Netzwerken scheint dies zu bestätigen. Auf beiden Profilen finden sich asyl- und ausländerfeindliche Bilder und Nachrichten.
Polizei sieht kein fremdenfeindliches Motiv
Für die Polizei ist dies kein Anlass, in Richtung eines möglicherweise fremdenfeindlichen Motives zu ermitteln. „Wir arbeiten mit Hochdruck. Mittlerweile ist auch der erste Tatverdächtige vernommen worden“, erklärte Pressesprecher Michael Aschenbrenner vom Polizeipräsidium Tuttlingen am Mittwoch auf Anfrage. Gegen beide Männer werde wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung ermittelt. Bei der Frau sei noch unklar, ob und wie sie an der Tat beteiligt war. „Da sind wir auch auf die Zeugenaussagen angewiesen“, so Aschenbrenner. Es gibt absolut keine Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv“, ergänzt Aschenbrenner kategorisch. Deshalb blieben die Ermittlungen auch in der Hand des St. Georgener Polizeireviers und würden nicht an die Kriminalpolizei weitergegeben.
Opfer lag bewusstlos am Boden
Zeugen bestätigen dem SÜDKURIER gegenüber unabhängig voneinander den Tatablauf. „Ich bin dazwischengegangen und habe auch gleich eine Backpfeife kassiert“, erzählt ein Freund, der mit Paul B. den Rosenmontag verbracht hat. Die beiden Angreifer hätten von diesem Zeugen abgelassen und weiter auf ihr bewusstlos am Boden liegendes Opfer eingetreten, erinnert sich ein anderer Mann, der den Tätern mit der Polizei gedroht und letztendlich auch Polizei und Notarzt verständigt hatte. Als kurz nach dem Notruf eine Polizeistreife eintraf, waren die mutmaßlichen Schläger verschwunden.
Zieht das Kneipenviertel rechtes Klientel an?
An eine Zufallsbegegnung am frühen Dienstagmorgen glauben Opfer und Zeugen nicht. Diesen Eindruck bestärkt ein Blick auf die Örtlichkeiten. Viele Kneipengänger im sogenannten „Bermuda-Dreiecks“ unterhalb des Bärenplatzes in der 13 000-Einwohner-Kommune im Schwarzwald, sagen, dass vor allem das Bistro ein regelmäßiger Anziehungspunkt von rechter Klientel sei. Es sei kein Geheimnis, dass vor allem die regelmäßig stattfindenden Mottopartys mit Musik der ehemaligen Rechtsrockgruppe „Böhse Onkelz“ eine entsprechende Klientel anziehe, berichten Kenner der Szene. Plakate an der Außenwand des Bistros weisen in Frakturschrift auf die nächste Veranstaltung hin. Der Wirt weist das entschieden zurück. Auch habe er nie Probleme mit Gästen mit rechter Gesinnung gehabt. „Nicht jeder, der die „Böhsen Onkelz“ hört, ist rechts. Und ich bin es schon gar nicht.“
Die rechte Szene in St. Georgen
St. Georgen war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz rechtsradikaler Treffen und Äußerungen. Schlagzeilen machte vor zwei Jahren in St. Georgen die Festnahme von Ralph K. Der Betreiber der Neonazi-Webseite "Altermedia" wurde vergangene Woche vor dem Oberlandesgericht Stuttgart zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im erweiterten Umkreis traten mit der Partei "Der dritte Weg", dem Freikorps Villingen-Bodensee oder den Freien Kräften Schwarzwald-Baar-Heuberg rechte Splittergruppen in Erscheinung. Dokumentiert waren in St. Georgen im Jahr 2015 vier sogenannte „Recht-und-Freiheit-Stammtische“ sowie ein Liederabend mit einem rechtsextremen Hip-Hop-Duo.