Die Stadt Tübingen will als bundesweit erste Kommune von November an die teilweise Nutzung von Fahrradwegen für sogenannte S-Pedelecs freigeben. Das kündigte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer gegenüber dem SÜDKURIER an. Als S-Pedelecs werden E-Bikes bezeichnet, die mit Motorunterstützung bis zu 45 km/h schnell werden. Sie sind zulassungspflichtig, die Fahrer müssen ein Helm tragen und die E-Bikes dürfen laut Straßenverkehrsordnung nicht auf Fahrradwegen benutzt werden – im Gegensatz zu normalen Pedelecs, deren Motorunterstützung bei 25 km/h endet.

Durchgängiges Streckennetz konzipiert

Dennoch möglich werden soll die Regelung durch eine verkehrsrechtliche Anordnung des Oberbürgermeisters. „Wir haben im Vorfeld ein durchgängiges Streckennetz für Schnell-Pedelecs in Tübingen konzipiert“, sagt Palmer. Durch attraktivere Bedingungen für S-Pedelecs hofft Palmer auf eine Reduktion des Stadtumlandverkehrs, auf dem Strecken von vier, fünf Kilometern absolviert werden.

Auf Straßen gezwungen

Der grüne Tübinger OB selbst ist schon seit zehn Jahren auf dem S-Pedelec unterwegs und hadert damit, dass die schnellen Fahrräder auf Autostraßen gezwungen werden und entsprechenden Gefährdungen ausgesetzt sind, obwohl nur in den seltensten Fällen tatsächlich Geschwindigkeiten jenseits der 40 km/h erreicht werden. „Ich habe schon drei verschiedenen Bundesverkehrsministern geschrieben und darauf hingewiesen, dass die Straßenverkehrsordnung in dieser Hinsicht veraltet ist und nicht mehr auf diese Fahrzeugklasse passt“, sagt Palmer. „Aber es hieß immer, erstens gehe das nicht und zweitens gebe es keinen Bedarf.“

Risikostrecke Tunnel

Palmer freilich sieht das anders. Schließlich ist er auch persönlich betroffen. Einen Fahrradtunnel in Tübingen darf er mit seinem S-Pedelec bislang nicht legal befahren, sondern müsste er den benachbarten Bundesstraßentunnel benutzen. „Lebensgefährlich“, sagt er, „von der Luft im Tunnel gar nicht zu reden.“ Das erste von insgesamt 80 entsprechenden Schildern, von der Stadt Tübingen selbst entwickelt, will Palmer am 12. November daher selbst genau an diesem Fahrradtunnel aufstellen.

In der Schweiz längst erlaubt

Das Radwegeverbot macht Palmer auch mitverantwortlich für die geringe Verbreitung der schnellen Räder in Deutschland, die bundesweit im Jahr 2018 laut ADFC nur auf einen Marktanteil von 0,5 Prozent aller E-Bikes kamen. In der Schweiz dagegen, wo die S-Pedelecs die Fahrradwege nutzen dürfen, gehört bereits rund ein Viertel aller verkauften E-Bikes zu dieser Klasse.

Beim Landesverkehrsministerium steht man dem Vorstoß offenbar positiv gegenüber. Er habe auf seine Anfrage eine Antwort erhalten, die nahelege, dass das Regierungspräsidium nicht gegen die verkehrsrechtliche Anordnung vorgehen werde, so Palmer. „Das verstehe ich zumindest als Duldung.“